Gescheiterte Verfassung: die Antwort heißt „Plan D“
Nach dem niederländischen „Nee“ und dem französischen „Non“ zum Verfassungsvertrag beschloss die EU, die Ratifizierung nicht aufzugeben, sondern stattdessen zu „Plan D“ überzugehen. Das „D“ steht für Dialog, Debatte und Demokratie.
Die Europäische Union braucht Zeit, um sich über die Gründe für das Scheitern der Verfassung klar zu werden, und auch einige Mitgliedstaaten werden zusätzliche Zeit benötigen, um den Bürgern die Verfassung zu erklären. Daher wurde beim Europäischen Rat am 16. Juni entschieden, den Ratifizierungsprozess zeitweilig zu unterbrechen. Die Pause wird dazu genutzt werden, eine breit angelegte Debatte in allen Mitgliedstaaten zu organisieren, die Bürger, Zivilgesellschaft, Sozialpartner, nationale Parlamente und politische Parteien einbezieht.
„Wir dürfen nicht so tun, als sei nichts passiert“, betonte Josep Borrell, der Präsident des Europäischen Parlaments, vor dem Europäischen Rat. „Vielmehr müssen wir die verschiedenen Gründe, aus denen mit „Nein“ gestimmt wurde, gründlich analysieren.“
Warum haben Frankreich und die Niederlande gegen die Verfassung gestimmt?
Aus einer nur zwei Tage nach den Volksabstimmungen durchgeführten Eurobarometer-Umfrage geht hervor, dass die beiden Länder aus unterschiedlichen Gründen mit „Nein“ gestimmt haben. In Frankreich begründeten die Wähler ihre Gegenstimmen hauptsächlich mit sozioökonomischen Argumenten: 31 % führten negative Auswirkungen auf die Beschäftigung, 26 % die aktuelle Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage an. In den Niederlanden hingegen war der meistgenannte Grund Informationsmangel (32 %), gefolgt von der Angst um die nationale Unabhängigkeit (19 %).
„Zwar spielt die wirtschaftliche und soziale Lage eine entscheidende Rolle, der Dialog zwischen den Bürgern der EU und ihren Institutionen muss jedoch verbessert werden“, erklärte Margot Wallström, die für Kommunikationsstrategie zuständige Vizepräsidentin der Kommission.
Diese Botschaft wiederholte sie einige Tage später auch in ihrem Blog (EN): „Die Entscheidungsträger müssen besser zuhören und besser erklären; es muss ein Austausch mit den Bürgern stattfinden.“
Die Kommission will bei dieser Debatte eine zentrale Rolle spielen, doch auch die Mitgliedstaaten sind zur Teilnahme aufgefordert.
„Die Europäische Kommission sucht den Dialog mit allen Mitgliedstaaten, den Regierungen, Parlamenten, Sozialpartnern sowie den jungen Menschen. Sie will zuhören, aber auch neue Ideen zur Zukunft Europas einbringen“, erläuterte José Manuel Barroso, der Präsident der Europäischen Kommission.
Wie es Josep Borrell ausdrückte, müssen alle EU-Institutionen – Kommission, Rat und Parlament gleichermaßen – „gemeinsam unter Beweis stellen, dass Europa ein Mehrwert ist“.
Wie es Tony Blair, der britische Premier und zukünftige Präsident des Rates der EU, in einer Rede vor dem Europäischen Parlament auf den Punkt brachte, liegt es nun bei der britischen Präsidentschaft, Europa „dazu zu verhelfen, seiner eigentlichen Aufgabe nachzukommen: das Leben seiner Bürger zu verbessern“.
Anfang 2006 wird der Europäische Rat eine Bestandsaufnahme der nationalen Debatten vornehmen und über die weiteren Schritte entscheiden.
Quelle:Newsletter der Europäischen Kommission vom 30. Juni 2005